GASTREZENSION: Stefan Bossert schreibt über Big Minden III von Stress & Trauma


Stefan „Bossi“ Bossert lernte ich im Curse-Forum kennen. Seither unterhalten wir uns auch außerhalb dieses Forums, unter anderem auf seinem kleinen aber feinem Facebook-Blog, immer wieder über Musik verschiedenster Richtungen und Künstler.

Am häufigsten trifft sich unser Geschmack jedoch beim Rap. So auch bei Stress & Trauma, die Ende April ihr lang erwartetes zweites Album „Big Minden III“ veröffentlichen.

Da auch ich die Musik und Texte der Jungs mag und Bossi einen Platz suchte, um seine erste Rezension zu veröffentlichen, war es für mich ein Leichtes ihm diesen Platz hier im Seelenhafen zur Verfügung zu stellen.

Es wird anders klingen, als ihr es von mir gewohnt seid.

Nun aber viel Spaß mit der Vorabrezension zu Big Minden III:

Big Minden!

Stress & Trauma, die früheren Wegbegleiter von Curse und Teil der Weser Allstars, melden sich acht Jahre nach ihrem Debüt-Album „Big Minden II“ (2005) mit einem zweiten, in Eigenregie erschaffenen Album namens „Big Minden III“ (2013) zurück. Zusätzliche Unterstützung gibt es sowohl von altbekannten, als auch von neuen Gesichtern. So setzt sich die Tracklist wie folgt zusammen:

  1. Endlich wieder
  2. Die 2
  3. Bilder des Lebens
  4. Schlimmer geht’s immer
  5. Nur ein Lächeln
  6. Liebe auf den letzten Blick feat. Samir Soulsta
  7. Eine Minute
  8. Licht am Horizont
  9. Biest in der Booth
  10. 1001 feat. M-Riebold
  11. Charlie Chaplin
  12. Du und ich feat. Annie Reimann
  13. Chroniken einer Liebe
  14. Für immer und ewig feat. Reno, Germany & Curse
  15. Ich will damals
  16. Meine Freundin feat. M-Riebold

Während exakt die Hälfte des Albums von den Natural Diggers produziert wurde, weist die andere Hälfte die Handschriften von Daniel Schilke, Nico Beißner, Ricco Beatz und Patrick Ahrend auf.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Björn Bultemeyer (Stress) und David Stoebel (Trauma), für die vorzeitige Bereitstellung des Albums! Ein weiteres Dankeschön gilt Jacqueline Hahnebach, die sich bereit erklärte, diese Rezension auf ihrem Seelenhafen zu veröffentlichen.

So sieht das neue Kunstwerk der zwei Mindener aus:

Cover
Quelle: Stefan Bossert

… und so hört es sich an:

Eröffnet wird Big Minden III mit einem Titel namens „Endlich wieder“. Wer „Smart Is The New Sexy“ von M-Riebold & Maxmiles kennt, könnte meinen, er habe die falsche Scheibe eingelegt und höre nun „HBK“. Doch schnell wird klar, dass dies nicht der Fall ist. Mit einem abrupten Einstieg auf einen fröhlichkeitserweckenden Beat kündigt Stress an:

„Wieder sind wir hier, schütteln Lieder wieder aus der Hüfte,
wir präsentieren Rap, denn es war ein Gefühl als müssten wir,
wieder mal was sagen…“

und zwar jede Menge Gründe, warum Stress & Trauma (zurück) auf die Bildfläche der deutschen Rap-Landschaft gehören. Ebenfalls wird dies im Chorus von Trauma bestätigt:

„Endlich, endlich, endlich isses wieder so weit,
nochmal die Vibes, nochmal die alte Zeit
und wieder der kluge Hype und wieder der gute Scheiß,
nochmal das Duo, das sich verneigt, wieder zu zweit!“

Ein perfekt gewählter Opener, der Lust auf mehr macht!

Fortgesetzt wird das Album mit „Die 2“, einem Song, der keine Möglichkeit zum Ausruhen bietet, sondern den Kopf zum Nicken bewegt. Der Beat wird von einer Fanfare eingeleitet, auf welche ein Gitarrenriff und ein wummernder Bass folgen. Auch hier wird keine Gelegenheit ausgelassen, dem Hörer klar zu machen, mit wem er es zu tun hat.

„Die 2, die noch nach zehn Jahren am Mic sind, während andre gehn,
(…)
ihr wollt Gangstermukke, sorry, wir sind leider ganz bequem!“

Abwechselnd wird ins Mikrofon gespittet – mit einem Flow, wie man ihn gewohnt ist. Ein Representer, der es förmlich in sich hat.

Mit einer wohlklingenden Pianomelodie und dem passenden Zitat „I‘ll Be More Than Happy To Take The Rapper On This“ beginnt der dritte, bereits bekannten SongBilder des Lebens“. Ein Song, wie er nur von Stress & Trauma stammen kann: warmherzig, hoffnungsvoll und voller ehrlicher Gefühle…

… genau wie auch Schlimmer geht’s immer“, welcher zusammen mit „Bilder des Lebens“ in Form eines Split-Videos als Album-Vorbote veröffentlicht wurde.

„Nur ein Lächeln“ handelt von Trauer, Schmerz und Resignation. Auf einem mit der Thematik harmonierenden Beat geben Stress und Trauma in direkter Rede die Probleme einer fiktiven Person wieder und versuchen dieser zugleich mit auf den Weg zu geben, dass bereits die kleinsten Dinge Großes bewirken können. Hiermit kann sich in gewissermaßen jeder identifizieren.

She’s Like An Angel From Heaven Above… Heaven Above… Heaven Above. Mit diesen Worten beginnt die „Liebe auf den letzten Blick“. Ein Song, der die „vergoldete Stimme“ (Aussage: Trauma) Samir Soulsta featured. Wie der Titel vielleicht schon vermuten lässt, handelt die Geschichte von einem Mann, welcher erst nach dem es bereits zu spät ist, die wahre Liebe zu seiner Frau erkennt.

„Mein Herz war schwach und verließ‘ dich nur in einem Moment
und du sagtest allen, dass du diesen Mann nicht mehr kennst.
Ich versteh‘ dich, doch hat sich dies nicht erledigt,
begebe mich auf eine Reise, auch wenn sie ewig
andauert, bis ich dein Herz wieder einnehm‘.“

Ein wunderbarer Song, aus dessen Chorus jedoch noch mehr heraus zu holen gewesen wäre.

„Ihr könnt vergessen, [falls euch die Rezension] grade stresst, wenigstens für „Eine Minute“, Trubel is so Grotesk.“ Solider Song!

Mit „Licht am Horizont“ beweisen Stress & Trauma die Kunst des Storytelling. So wird hier eine Geschichte erzählt, wie sie reeller kaum sein könnte: Alkohol-Exzesse, Leichtsinnigkeit, die daraus resultierenden Folgen und das (neue) Leben danach.

„Ich bin am feiern, trink‘ ein Glas nach dem andern,
jeder sagt: du bist mit Auto hier, mach mal langsam!
(…)
Ich weiß, ich hab nur ein paar Meter bis nach Haus,
schlaf‘ ein, dies war ein Fehler und mein Wagen bricht aus.
(…)
Und dies sind die letzten Worte, die ich wahrnehm‘
während ich dem Ende meines kurzen Lebens nah bin.“

Vorprogrammierte Gänsehaut!

Wie bereits auf Big Minden II, werden auch auf Big Minden III wieder Solo-Stücke serviert. Den Anfang macht dieses Mal das „Biest in der Booth“. Hierbei bedient sich Stress der Gleichung von MoTrip: „Rap ist… deine Stimme plus die Technik mal die Flows geteilt durch Skills ist gleich der Inbegriff von Freshness.“ Gekonnt werden hier Episoden des eigenen Lebens über den Beat gelegt.

 „1001“, der so zu sagen zweite Solo-Track von Stress, jedoch in Begleitung von Rapper M aka M-Riebold aka Rap-Nachwuchs-Talent aus Syke aka Mix und Mastering von Big Minden III. Welcher Kerl kennt nicht das Gefühl, von einer Frau „wie aus 1001 Nacht“ in den Bann gezogen zu werden, sich jedoch gleichzeitig zu denken:

„Ich weiß einfach nicht, wie man sie anspricht, nein,
doch was mache ich, wenn sie mich anspricht?
Weinen vor Glück, schreien vor Glück
und leider spielen wieder beide Beine verrückt.“

Während Stress die Thematik in seinem Part exakt auf den Punkt bringt, erläutert sie M-Riebold auf seine eigene humorvolle Art und Weise, die förmlich zum Schmunzeln einlädt.

„Denn seit dem dein letzter Partner ‘en Arsch war,
sind alle Jungen gleich, wollen mit dir nur aahh, aahh.“

Im Chorus jedoch, wird lediglich eine rhythmisch abgewandelte Form von Klaus Lage’s „1000 mal berührt“ serviert. Dieser könnte durchdachter und ausgereifter klingen.

Nachdem es nun eine Weile still um Trauma wurde, meldet sich dieser mit seinem ersten Solo-Stück „Charlie Chaplin“ zurück. Hierbei handelt es sich um einen der Höhepunkte auf Big Minden III. Ein großartiger Song mit einer großartigen Geschichte und optimal eingesetzten Stimm-Effekten im Chorus. Beide Daumen nach oben!

Ein wundervolles, jedoch viel zu kurzes (Beat-) Intro, hält der Song „Du und Ich“ bereit: das Gefühl, in eine perfekte Welt einzutauchen – frei von Ängsten und Sorgen. Hier erläutern Stress und Trauma das verlorene Wir-Gefühl unserer Gesellschaft in Begleitung einer bislang unbekannten Sängerin namens Annie Reimann. Ähnlich wie bei „Liebe auf den letzten Blick“ handelt es sich auch hier um eine schöne Stimme, deren Potenzial nicht vollständig ausgereizt wurde.

Auf einem sehr schlicht gehaltenen Beat aus einer Mischung von gezupfter Gitarrensaite, Geträller und Trompetenklang lauscht man gespannt den „Chroniken einer Liebe“. Verfeinert werden diese im Chorus durch ein Sample von 100 Proof (Aged In Soul)‘s
„I Don’t Care If I Never Get Over“. Die Idee Trauma’s Stimme im letzten Part zu verzerren: gut/passend. Die Umsetzung: zu sehr hervorgehoben.

Bei dem Titel „Für immer und ewig“ könnte man meinen, dass sich dieser nicht nur auf den Inhalt des Songs, sondern auch auf die daran beteiligten Personen bezieht: Curse, Reno, Germany, Stress, Trauma und der am 16.02.12 verstorbene Produzent (u.a. von „Und was ist jetzt“) Patrick Ahrend. Sechs Jungs bzw. Männer, die schon immer weitaus mehr als nur Musik verbunden hat. Ein Song, der davon handelt, immer für jemanden da zu sein, in bekannter Weser Allstars Qualität.

Kurz vor Ende des Albums, in „Ich will damals“, erinnert sich Trauma noch einmal an die guten, alten Zeiten zurück. Ein solider Song, dem es nichts hinzu zu fügen gibt.

Das letzte Motto auf Big Minden III lautet: Gegensätze ziehen sich an. Hier erläutert Trauma zusammen mit M-Riebold die allbekannte Problematik: „Meine Freundin“ und ich sind eigentlich grundverschieden, aber „irgendwie lieb‘ ich sie doch.“ Dies stellt Trauma anhand einiger Beispiele dar:

„Sie will später Haus mit Garten, ich mehr Charlie’s Haus am Strand,
bin noch irgendwie verspielt, sie will schon ein festen Mann.
(…)
Sie will Bahn fahr’n nach Frankreich, ich Japan und Shanghai,
erneut der Kontrast, ich das Stadtkind, sie Land-Ei.“

M-Riebold überzeugt hier leider nicht so, wie auf unzähligen anderen Songs.

Allgemein gilt zu sagen, dass Stress & Trauma mit Big Minden III ein sehr hörenswertes Album mit nur wenigen Schwächen geschaffen haben. Ein Album, das von Hören zu Hören tiefer in den Gehörgang eindringt. Alles klingt ehrlich und keinesfalls aufgesetzt. Niveauvolle Texte, passende Beats und gute Flows. Ein würdiger Nachfolger zu Big Minden II und daher eine klare Kaufempfehlung!

2 Gedanken zu „GASTREZENSION: Stefan Bossert schreibt über Big Minden III von Stress & Trauma

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